Wie alles begann

Auf den Namen Elsa Oestreicher stieß ich zum ersten Mal im Sommer 2019. Die Recherchen zum Gesellschaftshaus Lichterfelde, einem beinahe vergessenen Ort jüdischen Lebens im Süden Berlins, der über fünfzig Jahre das von der Familie Goldstein geführte Sanatorium Lichterfelde und später ein Altenheim der jüdischen Gemeinde beherbergte, führten mich in das Archiv der Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum. Laut einem Mitarbeiterverzeichnis der Reichsvereinigung der Juden in Deutschland war Elsa Oestreicher 1941 Wirtschafts- und Küchenleitung in diesem Altenheim.

Wie für all die anderen Mitarbeitenden, suchte ich auch ihren Namen im Gedenkbuch des Bundes und im Berliner Gedenkbuch, doch sie ließ sich nicht finden. Wie konnte das sein, hatten doch die Nationalsozialisten in ihrer Akribie unzählige Spuren ihrer Vernichtungsbürokratie hinterlassen. Ich suchte weiter und entdeckte im Leo Baeck Institute in New York die Elsa Oestreicher Collection. Dort öffnete sich mir eine wahre Schatzkammer: weit mehr als zweihundert Dokumente, ein erstes, wenn auch lückenhaftes Mosaik aus biografischen Fakten, persönlichen Erinnerungen und Zeitdokumenten. Ein Knäul aus Spuren, die Fragen aufwarfen, aber auch Antworten gaben, die zu neuen Quellen, manchmal aber auch ins Leere führten.

Und weitere Funde taten sich auf

Mitarbeitende der Arolsen Archives fanden zahlreiche Dokumente der Deportation Elsa Oestreichers, zu ihrer Lagerhaft in Theresienstadt, der Zeit im DP Lager Deggendorf und ihrem Weg ins Exil nach New York.

Das Landesarchiv Berlin verwahrt nicht nur die Wiedergutmachungsakten Elsa Oestreichers. Ihr Name findet sich auch in Protokollen der Schlichtungskommission für Haushaltsangestellte am Bezirksamt Wilmersdorf, deren Mitglied sie in den 1920er Jahren war.

Im Brandenburgischen Landeshauptarchiv hielt ich das Original der Vermögenserklärung in den Händen, unterschrieben von Elsa Oestreicher am 27. Oktober 1942, acht Tage vor ihrer Deportation nach Theresienstadt. Und ich fand Unterlagen ihrer Prüfung zur Kochlehrerin, die sie 1925 vor dem Provinzial-Schulkollegium Berlin ablegte.

Die genealogische Online-Datenbank ancestry bot Daten zur Erstellung eines gut zweihundert Jahre umspannenden Stammbaums der Familie Herz-Oestreicher. Und sie ermöglichte den Kontakt zu Verwandten in Denver, USA, die in alten Familienalben Fotos für mich fanden.

Im Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam spürte man für mich Radiobeiträge Elsa Oestreichers aus den 1920er Jahren auf. Klangspuren ihrer Stimme ließen sich jedoch nicht finden.

Antiquariate suchten (und fanden) in Originalrezeptbüchern nach Hinweisen auf die Autorin Elsa Oestreicher.

In den (digitalen) Zeitschriftenarchiven der Deutschen Nationalbibliothek, der Frankfurter Goethe-Universität, der Berliner Staatsbibliothek und des New Yorker Leo Baeck Institute stieß ich nicht nur auf Veröffentlichungen  über und von Elsa Oestreicher, sondern auch auf zahlreiche Werbeanzeigen ihrer privaten Berliner Kochschule.

Mit Hilfe der digitalisierten Berliner Adressbücher der Berliner Zentral- und Landesbibliothek entstand eine Karte der Lebensorte Elsa Oestreichers, die mich auf zahlreichen Spaziergängen durch die Straßen Berlins begleitete – Spaziergänge an Orte, an denen ihr Leben und Arbeiten heute kaum mehr vorstellbar ist.

Das FHXB-Museum half mir, den Ort zu finden, an dem einst Elsa Oestreichers Geburtshaus stand und steuerte eine historische Postkarte aus ihrer Sammlung Plewka bei. Michael Westerholz stellte mir aus seiner umfangreichen Sammlung zum DP Lager Deggendorf zwei Abbildungen zu Stationen Elsa Oestreichers auf ihrem Weg in die Freiheit zur Verfügung.

Mehrere Heimatmuseen Berlins durchsuchten ihre Sammlungen, konnten aber kaum Hinweise auf Elsa Oestreicher finden.

Umso dankbarer war und ist der Austausch mit Familie Winter in Uppsala/Stockholm, Schweden, die offen und herzlich ihre kaum noch greifbaren Erinnerungen an Elsa Oestreicher mit mir teilten, ihre Familienalben öffneten und zahlreiche Schätze fanden.

Die Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen.

Dank all denen, Dank Ihnen, Dank Euch.

Ohne Euch gäbe es diese Biografie nicht.